Die zerstörte Stadt. Zwischen Zäsur und Kontinuität

Die zerstörte Stadt. Zwischen Zäsur und Kontinuität

Veranstalter
Universität Hamburg, Forschungsgruppe "Gewalt-Zeiten"
Veranstaltungsort
Universität Hamburg, Überseering 35 #5
PLZ
22297
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
12.05.2023 - 13.05.2023
Deadline
06.01.2023
Von
Franziska Quaas, Forschungsgruppe "Gewalt-Zeiten", Universität Hamburg

Die Zerstörungen von Städten im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen markieren oftmals wichtige Zäsuren der Geschichte. Doch nur selten bedeuten diese Gewaltepisoden auch das Ende dieser Städte. Im Rahmen dieser Konferenz nehmen wir das Spannungsverhältnis zwischen disruptiver Gewalt und Kontinuitätsprozessen am Beispiel von Belagerung, Eroberung, Zerstörung und Weiterexistenz von Städten näher unter die Lupe und analysieren die Vielschichtigkeit von GewaltZeiten.

Die zerstörte Stadt. Zwischen Zäsur und Kontinuität

Bilder angegriffener und zerstörter Städte gehören zu den erschütterndsten Symbolen moderner Kriege – von den zerbombten Städten des Zweiten Weltkriegs über die einstürzenden Türme des World Trade Center bis zu den aktuellen Videos von Raketenangriffen und Straßenkämpfen während des Überfalls auf die Ukraine. Die Liste zerstörter Städte ließe sich für die Vormoderne fortsetzen: die Zerstörungen Jerusalems durch babylonische und römische Heere und später durch die Kreuzfahrer, die Plünderungen Roms durch Westgoten und Vandalen, die Eroberungen Mailands, Bagdads und Konstantinopels im Hoch- und Spätmittelalter oder auch die sogenannte Magdeburger Hochzeit während des Dreißigjährigen Kriegs. Ihnen allen ist gemein, dass sie anscheinend wichtige Zäsuren markierten. Doch so einschneidend diese Gewaltepisoden gewesen sind, bedeuteten sie meist nicht das Ende dieser Städte, sondern zeugen zugleich von der Kontinuität städtischer Infrastruktur und der Besiedlung derselben Stadträume. Diese Spannung zwischen disruptiver Gewalt und langfristiger Kontinuität nach dem Überstehen der Angriffe soll in den Fokus einer kulturhistorisch orientierten Diskussion gestellt werden. Die Belagerung, Eroberung, Zerstörung, aber auch das Weiterexistieren der Städte bietet sich daher als Musterbeispiel an, um in einem epochenübergreifenden Vergleich die Vielschichtigkeit von GewaltZeiten zu analysieren.

Auf der Ebene des Gewalthandelns kann zum Beispiel die Planung und Vorbereitung der Militärkampagne und des Widerstands analysiert werden. Die Belagerung selbst changierte zwischen Gewaltdrohung, lähmender Blockade und manifester Gewalt und machte die Zeit selbst zu einem Gewaltinstrument. Im Rahmen größerer Militärkampagnen konnte der Widerstand einer gut befestigten Stadt die anderen Planungen über den Haufen werfen, weil sich die Kampfaktionen unerwartet in die Länge zogen. Trotz der Gewalt gegenüber der Bevölkerung, die meist die Eroberung mit sich brachte, bestanden die Städte fort, richteten sich die Menschen im Zusammenspiel oder Widerstand mit den Eroberern in den Trümmern ein. Die Städte existierten in veränderter Form fort. Im Einzelfall muss geprüft werden, wie sich disruptive Gewalt und städtische Kontinuität wechselweise bedingten.

Zugleich schrieb sich die gewaltsame Eroberung der Stadt tief in die kulturelle Praxis ein; Ruinen, die Erinnerung an Gewalttaten – auf Seiten der Sieger wie der Verlierer – oder an hartnäckigen Widerstand sind ein wiederkehrendes Motiv in Monumenten, Texten und bildlichen Repräsentationen. Zu den bewegendsten Texten des Alten Testaments zählen die sog. ‚Klagelieder des Jeremias‘ über das zerstörte Jerusalem, die nicht zuletzt in barocken Vertonungen (Lamentationes Jeremiae Prophetae, Leçons des ténèbres) bis heute rezipiert werden. Über die Aeneis gingen Homers Erzählungen von der Zerstörung Trojas in das historische Wissen des lateinischen Mittelalters ein. Verdis Opern (I Lombardi alla prima crociata, La battaglia di Legnano) evozieren mittelalterliche Kriegszüge, während die Zerstörungen des 20. Jahrhunderts an vielen Orten das Ende vormodernen Städtebaus herbeiführten. In der Theologie stieß die Eroberung Roms 410 mit Augustins „De civitate Die“ eine Apologie an, die zu einem Schlüsselwerk europäischer Geschichtstheologie und Geschichtsphilosophie werden sollte, dessen säkularisierter Kern bis heute das Geschichtsbild prägt.

Für die Konferenz begrüßen wir sowohl Fallstudien als auch konzeptionelle-methodische Beiträge aus den vormodernen Epochen und benachbarten Disziplinen. Bitte reichen Sie bis zum 6. Januar 2023 Vorschläge im Umfang von max. 300 Wörtern für 20-minütige deutschsprachige Beiträge bei Franziska Quaas (franziska.quaas@uni-hamburg.de) ein.

Kontakt

Franziska Quaas, M.A.
Forschungsgruppe "Gewalt-Zeiten"
Universität Hamburg
Überseering 35 #5, Ostflügel, Raum 02043
22297 Hamburg

Tel.: +49 40 42838 2581
E-Mail: franziska.quaas@uni-hamburg.de

https://www.geschichte.uni-hamburg.de/forschung/forschungsprojekt-gewalt-zeiten/forschungsgruppe-gewalt-zeiten.html