TP 4: Kriegszeiten
TP4 Titel: Kriegszeiten. Zur Temporalstruktur von Feldzügen und gesellschaftlichem Wandel von der römischen Kaiserzeit bis zum Großen Interregnum (1.-13. Jh.)
Projektleitung: Prof. Dr. Philippe Depreux und Prof. Dr. Werner Rieß
Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Franziska Quaas M.A.
Der kriegerische Feldzug ist die klassische Form der organisierten kollektiven Gewalthandlung. Das Teilprojekt erforscht diese Gewaltform erstmals gezielt in temporaler Perspektive und besonderer Breite: die Feld- und Kriegszüge im Gebiet des römischen Imperiums und Westeuropas werden vom 1. bis ins 13. Jahrhundert untersucht. Wie gestalteten die verantwortlichen gesellschaftlichen Akteure in Antike und Mittelalter ihre Zeitplanung in und von Feldzügen? Wann wurden überhaupt Kriege begonnen, wie lange wurden sie geführt? Gab es präferierte Gewaltzeiten – etwa Jahres- oder Wochenzeiten – für Feldzüge? War der Tag oder die Nacht die bevorzugte Kampfzeit? Existierten andererseits Tabuzeiten, in denen die Waffen zu schweigen hatten? Welche Rolle spielten ungeplante Ereignisse für die zeitlichen Strukturen der Feldzüge? Und wie lassen sich diese und andere temporale Auffälligkeiten erklären?
Auf der Basis quantitativer Erhebungen wird das Teilprojekt erstmals in der Lage sein, die Veränderungen in der zeitlichen Ausgestaltung von Feldzügen in einem langfristigen Verlaufsmodell darzustellen. Hierzu werden die chronologischen Daten sämtlicher Feld- und Kriegszüge im Betrachtungszeitraum erhoben und in Datenbanken eingepflegt. In der qualitativen Auswertung werden die statistischen Verlaufskurven der Feldzüge mit sozialhistorischen Entwicklungen in Verbindung gebracht, um die Veränderungen in ihrer temporalen Ausgestaltung zu erklären. So ermöglichte etwa die Berufsarmee des römischen Reichs eine jahreszeitlich unabhängige Kampfbereitschaft. Im Frühmittelalter führten die saisonalen Bedürfnisse der Landwirtschaft hingegen zur Mobilisierung in Form eines wenige Monate dauernden Wehrdienstes. Durch seinen breiten Betrachtungshorizont gestattet das Teilprojekt einen umfassenden Blick auf die Wandlungsprozesse von antiken zu mittelalterlichen Gesellschaften und kann so einen Beitrag zu Diskussionen um die Übergangsphase zwischen den Epochen leisten.
Franziska Quaas nimmt im Rahmen eines Post-Doc-Projekts die serielle Bestandsaufnahme der Feldzüge auf der Basis narrativer Quellen wie Chroniken und Berichte, aber auch Dichtung, Briefen und Urkunden vor. Auch die antike und frühmittelalterliche Militärschriftstellerei wird daraufhin ausgewertet, wie sich die temporalen Vorstellungen der Kriegsführung, Planungs- und Handlungshorizonte der Operationen veränderten. Die Ergebnisse sollen in Form einer Monografie in den Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne beim Franz Steiner Verlag erscheinen. Die Projektleiter Prof. Dr. Philippe Depreux und Prof. Dr. Werner Rieß werden die erhobenen Daten in Form von Fallstudien auswerten und gemeinsam einen methodischen und programmatischen Aufsatz verfassen, der insbesondere die Relevanz der Langzeitanalyse der jährlichen Kriegsverläufe für die Epochenkonstruktion zwischen Antike und Mittelalter diskutiert.