Wir heißen PD Dr. Loredana Cappelletti als Gastprofessorin im Rahmen des Agathe-Lasch-Programms willkommen!
1. August 2025
![TAV. II Donatio di Petelia (inzi V sec. a. C.) [Annuario Scuol Archeol. Atene 2, 1916, p. 230]](https://assets.rrz.uni-hamburg.de/instance_assets/fakgw/26229416/lori-inschrift-733x414-f9826e5a7f5c54d6fbfabb1e2cd7e564142cfe0e.jpg)
Foto: Donatio aus Petelia (5. Jh. v.Chr.). Der Sikaina werden das Haus und alle anderen Güter geschenkt.
Jedes Jahr lädt die Universität Hamburg im Rahmen des Agathe-Lasch-Gastwissenschaftlerinnenprogramms Wissenschaftlerinnen zu einem bis zu sechsmonatigen Forschungsaufenthalt ein. Die Althistorikerin PD Dr. Loredana Cappelletti forscht aktuell in Hamburg zur rechtlichen Stellung und politischen Rolle der Frauen in den Gesellschaften Altitaliens.
Wir verfügen über eine enorme Anzahl von Studien, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Rolle von Frauen in der griechischen und römischen Welt über die langen Jahrhunderte ihrer Geschichte untersucht haben[1] und die dortigen Lebensrealitäten gut nachvollziehen lassen. Vor allem aber haben diese Studien Methoden der Exegese und Theorien ausgearbeitet und entwickelt, die sich als sehr nützlich für die Analyse, Interpretation und den Vergleich der Rollen und Funktionen von Frauen erweisen können, die ethnogeographischen und sozialen Realitäten angehörten, die sich von denen der Griechen und Römer unterschieden. Diese Realitäten gab es auch in der antiken Welt und sie wurden bisher nicht ausreichend untersucht oder angemessen in die moderne Forschung über Frauen in der Antike integriert. Konkret erforscht Frau PD Dr. Loredana Cappelletti über die Frauen der Etrusker, die in der heutigen Toskana und in Teilen der Poebene und Kampaniens siedelten, ferner über die Frauen der Italiker (Sabiner, Umbrer, Samniter, Lukaner, Brettier usw.), die weite Gebiete Mittel- und Süditaliens besiedelten, und schließlich über die Frauen der Griechen/Italioten, die ab dem 8. Jh. v. Chr. zahlreiche Kolonien in Süditalien gründeten. Diese waren klar definierte ethnische Gruppen mit jeweils eigener Kultur und eigener Sprache. Spiegel, Vasen, Wandgemälde, Sarkophagdeckel, Tuffsteinplatten, Bronzetafeln etc. bewahren gemeißelte, gravierte oder gemalte Szenen, vor allem aber etruskische, italische und griechische epigraphische Texte mit Widmungs-, Besitz-, Bestattungs- oder Privatrechtsinhalten, anhand derer sich die etruskische, italischen und italiotische weibliche Dimension, ihre Vorrechte und die Besonderheiten verstehen lassen, die sie von anderen Kontexten auf der Halbinsel unterschieden.
Frau Cappelletti wird sich auf die erstmalige Sammlung und analytische Untersuchung vor allem dieser epigraphischen Dokumentation konzentrieren. Angestrebt wird die Veröffentlichung der Projektergebnisse in einer der großen peer-reviewten althistorischen Fachzeitschriften. Darüber hinaus ist geplant, diese Dokumentation in Zusammenarbeit mit Studenten und Kollegen der Univ. Hamburg sowohl im Rahmen eines Workshops „Zwischen Norm und Lebenswirklichkeit – Zur Rechtsstellung und Handlungsmacht von Frauen in antiken Gesellschaften“, als auch im Rahmen der Vorlesung „Gesellschaft und Kultur der Etrusker“ am Fachbereich Geschichte, weiter zu bearbeiten. In der Vorlesung werden zwei zentrale Aspekte der etruskischen Zivilisation untersucht: die Entstehung des „Mythos“ der Etrusker und die Anerkennung ihrer kulturellen Eigenständigkeit. Literarische Quellen und Inschriften sowie archäologische Funde dienen der Analyse der etruskischen Kultur, Sprache und Gesellschaft. Es wird die Struktur dieser Gesellschaft, die Privilegien der Aristokratie, der wirtschaftliche Einfluss (Landbesitz, Handel) und die Lebensbedingungen der unteren Schichten Etruriens betrachtet. Besonderes Augenmerk gilt der politischen und rechtlichen Bedeutung der etruskischen Frauen, der aristokratischen Herrenschicht sowie der unteren Klassen.
[1] Für einen Forschungsüberblick zum Thema s. u.a. E.Cantarella, L’ambiguo malanno. La donna nell’antichità greca e romana, Milano 1995, V-21; Th.Späth – B.Wagner-Hasel (eds.), Frauenwelten in der Antike: Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis, Stuttgart 2006, IX-XXVI; M.V.Del Tufo – F.Lucrezi (eds.), Lo spazio della donna nel mondo antico, Napoli 2019, 1-11.