Projektverbund "Forschungsstelle 'Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung'"
App: Koloniale Orte (iOS/Android)
Erste wissenschaftliche App zur Kolonialgeschichte Hamburgs geht online
Hamburg war Deutschlands Kolonialmetropole und geht bei der Aufarbeitung seines kolonialen Erbes nun neue Wege. Wo vormals das Kolonialinstitut für den Dienst in Übersee ausbildete, hat das Team der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Zimmerer eine App erarbeitet, die Hamburgs Kolonialgeschichte mit dem Smartphone zugänglich macht.
Nutzerinnen und Nutzer können aus drei thematischen Rundgängen („Politik, Kultur und Gesellschaft“, „Wirtschaft und Handel“ und „Wissenschaft und Forschung“) wählen und die kolonialen Verbindungen verschiedener Orte in Hamburg kennenlernen – auch ohne Vorwissen und auf Höhe der aktuellen Forschung. Die Forschungsstelle bietet damit einen niedrigschwelligen Zugang zur Kolonialgeschichte und zeigt, welchen Beitrag die Geschichtswissenschaft für eine moderne Stadt leisten kann.
Die App „Koloniale Orte“ steht ab sofort in den entsprechenden App-Stores kostenfrei zur Verfügung.
Über den Projektverbund
Hamburg ist eine Stadt mit lebhafter kolonialer Vergangenheit und ist mit Recht als die „Kolonialmetropole des Kaiserreiches“ neben Berlin bezeichnet worden. Während in Berlin die politischen Entscheidungsträger zwischen 1884 und 1918 ansässig waren, stand die Hansestadt für einen weit davor beginnenden und weit darüber hinausreichenden Austausch und Kontakt. Die Hafenstadt profitierte von der kolonialen Expansion Europas, erlebte unter der Ägide des britischen „Freihandelsimperialismus“ im 19. Jahrhundert einen erheblichen Aufschwung und stieg zu einem wichtigen Handelsplatz für Kolonialwaren auf – stolz spricht man bis heute vom „Welthafen Hamburg“. Im Kaiserreich (1871-1918/19) verband Hamburg die koloniale Peripherie mit der imperialen Metropole und wurde zur transnationalen Drehscheibe kolonialer Waren und menschlicher Mobilität. Und auch nach dem Ersten Weltkrieg blieb Hamburg Deutschlands Tor zur kolonialen Welt.
Anhaltende Auseinandersetzungen über den Umgang mit dem (post-)kolonialen Erbe der Hansestadt führten dazu, dass der Hamburger Senat sich 2014 dazu entschlossen hat, die Aufarbeitung des Kolonialismus in Hamburg und damit einen neuen Start der postkolonialen Erinnerungskultur zu beginnen und zu diesem Zweck an der Universität Hamburg eine Forschungsstelle einzurichten, welche eine wissenschaftliche Basis dafür schaffen soll.
Unter der Leitung Prof. Dr. Jürgen Zimmerers untersucht die Forschungsstelle die Verbindungen und Nachwirkungen des Kolonialismus in Hamburg, Deutschland und den ehemaligen Kolonien. Die Forschungsstelle wird dabei die Dynamiken, Repräsentationen, Nachwirkungen und Kontroversen des (deutschen) Kolonialismus und der Globalisierung (oder richtiger: der Kolonialismen und Globalisierungen) in Vergangenheit und Gegenwart und ihre komplexen Verbindungen und Bedeutungen für postkoloniale Gesellschaften an exemplarischen Fallbeispielen erforschen.
Veröffentlichung: "Hamburg: Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung" (Wallstein Verlag 2021)
Herausgegeben von Jürgen Zimmerer und Kim Sebastian Todzi
Hamburg als Kolonialmetropole: Spurensuche und Forschungsbilanz.
Als wichtigster Hafen Deutschlands war Hamburg auch zentrale Kolonialmetropole. Das »Tor zur Welt« war über Jahrhunderte ein Tor zur kolonialen Welt. Man hatte Handelsbeziehungen zu Kolonialmächten und Kolonien, man handelte mit Kolonialwaren und auch mit Menschen. Diese Geschichte hat Spuren hinterlassen. Hamburg ist voller (post-)kolonialer Erinnerungsorte, die nicht nur für die Stadtgeschichte interessant sind, sondern auch Aufschluss geben über die Geschichte der kolonialen Globalisierung. Die untersuchten Erinnerungsorte reichen von Vorstellungswelten wie der Figur des »Hanseaten« über Institutionen der Kolonialwirtschaft und -politik wie dem Hafen oder der Handelskammer, einzelnen Unternehmen wie dem Woermann-Konzern bis zu Wissenschaft, Kultur und Kunst, etwa dem Museum für Völkerkunde (heute MARKK) oder dem Tierpark Hagenbeck und seinen »Völkerschauen«. Auch die Geschichte einzelner Denkmäler wie dem großen »Bismarck« am Hafen oder den »Askari-Reliefs« wird untersucht. Ergänzt um biographische Skizzen wird deutlich, was der Kolonialismus für Hamburg bedeutet, aber auch Hamburg für den Kolonialismus.
>>> Hamburg: Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung