Das Dissertationsvorhaben ist dem Thema des Konsums und der Werbung im postsowjetischen Russland gewidmet: Der unruhige Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft hat enorme Konsequenzen nach sich gezogen. Erstens spitzte sich die Finanzkrise zu. Zweitens gab es eine Knappheit an billigen Grundgütern. Drittens standen Konsumenten orientierungslos vor dem Angebot vieler westlicher Produkte. In dieser wirtschaftlichen Übergangsphase spielte die Werbung eine tragende Rolle für die postsowjetischen Verbraucher. Denn die Konsumenten konnten zumindest über die Werbung ihre Teilhabe am Konsumgeschehen in Russland verzeichnen. Am Anfang der postsowjetischen Zeit gab es keine Institution, die sich für die Konfliktregelung zwischen Konsumenten und Werbetreibenden einsetzte. Die im Jahr 1992 gegründete Europäische Allianz der Werbeselbstkontrolle mit dem Hauptsitz in Brüssel setzt sich europa- und weltweit für Länder ein, die sie bei der Gründung einer Institution für die Konfliktregelung zwischen Konsumenten und Werbetreibenden unterstützt. Eine entsprechende Institution wurde in Russland 1995 mit dem Werberat (russ. Reklamnyj Sovet Rossii oder engl. Advertising Council of Russia) gegründet, welcher jedoch im Jahr 2002 wieder aufgelöst wurde. Der russische Werberat ist damit der einzige Werberat in der Geschichte der Werbeselbstkontrolle Europas, welcher einige Jahre später nach seiner Gründung aufgelöst und nie wieder aufgebaut wurde.
Die Arbeit fragt nach den Hintergründen und Ursachen des Scheiterns des Werberates in Russland. Der Fokus liegt auf der Arbeit und den Aufgaben des kurzlebigen russischen Werberates sowie der Darstellung der postsowjetischen Werbeindustrie in Russland selbst. Die Quellenbasis für die Beantwortung der Forschungsfragen bilden neben Werbekampagnen die Archivbestände des russischen Werberates sowie Archivalien der Internationalen Handelskammer (ICC) und der Europäischen Allianz der Werbeselbstkontrolle (EASA). Darüber hinaus sollen Akteure des aufgelösten Werberates, der ICC, der EASA und der russischen Werbeindustrie mittels Experteninterviews befragt werden. Die durchgeführten Interviews werden nach Methoden der qualitativen Inhaltsanalyse (Gläser & Laudel, 2009) ausgewertet.
Schlüsselbegriffe: Russland, Sowjetunion, Konsumgeschichte, Werbeindustrie