Vortrag am 9. Juni: Eine neue Geschichte von Theresienstadt
24. Mai 2022, von Thorsten Logge

Foto: A.H.
Wie lässt sich eine Geschichte der "Häftlingsgesellschaft" im Holocaust schreiben? Und gab es eine solche überhaupt?
In das Ghetto Theresienstadt im besetzten "Protektorat Böhmen und Mähren" verschleppten die Nationalsozialisten zwischen November 1941 und Mai 1945 Jüdinnen und Juden aus Mittel- und Westeuropa. In ihrem neuen Buch „The Last Ghetto“ untersucht die Historikerin Anna Hájková, wie das Zusammenleben der im Ghetto eingesperrten Menschen unter diesen extremen Bedingungen funktionierte. Heute ist Theresienstadt vor allem einer breiteren Öffentlichkeit bekannt für das kulturelle Miteinander der Ghettoinsassen zum einen und zum anderen für die nationalsozialistische Propaganda anlässlich des Besuchs des Internationalen Roten Kreuzes 1944 in Erinnerung. Nun legt die in England lehrende Historikerin Anna Hájková erstmals eine Gesellschaftsgeschichte vor, die den Alltag von rund 140.000 Häftlingen in den Mittelpunkt rückt.
Im Mittelpunkt des Vortrags stehen die Menschen in Theresienstadt als solche: Sie entwickelten ihre eigenen sozialen Hierarchien, in denen winzige Unterschiede über Leben und Sterben entschieden. In den dreieinhalb Jahren seines Bestehens des Ghettos schufen die Häftlinge ihre eigene Kultur und Bräuche, bauten Beziehungen auf oder verliebten sich. Basierend auf intensiver Archivforschung in neun Sprachen und tiefgehender Auseinandersetzung mit den Opferzeugnissen, gibt Anna Hájková Einblicke in diese Gesellschaft in extremen Zeiten.
Eine Gesellschaft im Angesicht des Extremen – eine neue Geschichte von Theresienstadt (Dr. Anna Hájková)
Donnerstag, 9. Juni 2022, 18.30 Uhr
Tschaikowsky-Saal, Tschaikowskyplatz 2, 20355 Hamburg
Eintritt frei.
Dr. Anna Hájková ist Associate Professor an der University of Warwick. Ihr Buch, The Last Ghetto: An Everyday History of Theresienstadt, erschien 2020 bei Oxford University Press. Sie arbeitet derzeit an zwei Projekten: an einer Geschichte einer Kommunistengeneration in Mitteleuropa zwischen 1930 und 1970. Darüber hinaus ist sie eine Pionierin der queeren Holocaustgeschichte. Sie publiziert in deutschen, israelischen, tschechischen und US-amerikanischen Medien.